In dieser Ausgabe „GRÜNES aus dem Grossen Rat“ aus der heutigen Grossratssitzung vom 4. Mai 2021:

  • Klima-Artikel und Bio-Tomatensetzlinge als Guerillakämpfer
  • Auch 33 ÖV- und Velonutzer bewilligen 325 Corona-Millionen
  • Antennensuchläufe, Finanzpolitik, Agrarreform, Gewässerschutz und OASE

 
Klima-Artikel und Bio-Tomatensetzlinge als Guerillakämpfer
Nach der Fraktionssitzung, an der nebst Tagesgeschäften eine engagierte Diskussion geführt wurde zur Ergänzung der Kantonsverfassung mit einem Klima-Artikel, verteilten die Grünen in einer Guerilla-Aktion allen Grossrätinnen und Grossräten Bio-Tomatensetzlinge unter dem Motto «ein ‘gift’ garantiert ohne synthetische Pestizide». Der Kampf um die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative ist ja voll im Gang, und die Grünen konterten damit eine Aktion des Bauernverbandes von vergangener Woche, der den Politikerinnen und Politikern je eine Rispe Cherrytomaten nach Hause geschickt hatte, die Tomatensaison um mehrere Wochen vorwegnehmend.

Auch 33 ÖV- und Velonutzer bewilligen 325 Corona-Millionen
Prompt rüffelte Ratspräsident Pascal Furer die Tomatenstöckliverteilthabenden, weil die Ratsleitung zuvor nicht angefragt worden sei – solche Aktionen würden nämlich fast nie bewilligt. (Eben deshalb musste es eine Guerilla-Aktion sein.) Der rituellen Testabstimmung zu Beginn der Sitzung war zu entnehmen, dass von den Anwesenden 89 Personen mit dem Auto angereist waren, immerhin 33 per Velo oder mit dem ÖV, fünf machten keine Angaben. Ein grosser Zusatzkredit für Corona-Finanzhilfen zu Gunsten der Wirtschaft über 325 Mio CHF wurde nach ein paar lobenden Voten mit 133:0 Stimmen angenommen – manchmal ist man sich im Parlament auch einfach einig, wenn etwas nötig ist.
Antennensuchläufe, Finanzpolitik, Agrarreform, Gewässerschutz und OASE
Maurus Kaufmann erklärte sich nur teilweise zufrieden mit den Auskünften der Regierung zu Fragen rund um Antennensuchläufe in Strafverfahren. Die Grünen würden es begrüssen, wenn die Beauftragte für Öffentlichkeit und Datenschutz hier als Aufsichtsorgan tätig werden könnte, um zumindest ein bisschen Licht in diese Blackbox bringen zu können.
Robert Obrist, der beim Aufruf des Präsidenten seinen Networking-Aufgaben im hinteren Teil des Saals nachging, trug nach einem eindrücklichen Sprint durch die Tischreihen sein «nicht ganz so zahmes» Votum zur Regierungsantwort auf Fragen zur finanzpolitischen Lagebeurteilung in gewohnt abgeklärter Manier vor. Im Gegensatz zu den weitgehend substanzleeren Ausführungen der Regierung, sofern sie überhaupt auf die Fragen einzugehen geruhte, analysierte er in drei Minuten zuzüglich zehn Sekunden Nachspielzeit die Erfahrungen des Nachbarkantons Luzern mit Steuersenkungen, gefolgt von Sparprogrammen und Kürzung der Prämienverbilligung, zur unvermeidlichen bundesgerichtlichen Korrektur, bis zur internationalen Entwicklung mit Mindeststeuersätzen, wie sie neustens von der US-Regierung unter Joe Biden gefordert werden.
Christian Keller kämpfte in der Debatte um das «regionale Gesamtverkehrskonzept Ostaargau OASE 2040» für eine vernünftige, kohärente und nachhaltige Lösung der unbestrittenen Verkehrsprobleme im Ostaargau. Ein Lob für den ganzheitlichen Ansatz unter Einbezug von ÖV, Velo- und Fussverkehr sowie Mobilitätsmanagement wird schnell getrübt durch drei Fehlentwicklungen: Das Gesamtverkehrskonzept droht in seine Einzelteile zu zerfallen, die Umwelt- und Klimakrise wird ausgeblendet, und das Potential der Vermeidung von Verkehr wird weder aufgezeigt noch genutzt. Stattdessen sollen hunderte Millionen in die Umfahrungstunnel von Baden und Brugg investiert werden – unter dem Vorwand, die Ausbauten für den motorisierten Verkehr kämen den Fussgängerinnen und Velofahrern in den Zentren zugute. Tatsächlich handelt es sich um eine masslose Förderung des motorisierten Individualverkehrs. Die mit dem Auto Angereisten bejahten grossmehrheitlich die OASE-Vorlage (ca. 80:40), bei der Veloinfrastruktur war die Einigkeit dann deutlich grösser (124:6).
Mit einem Gruss an Alt Grossrat Hansjörg Wittwer, der seitens unserer Grünen Fraktion am 8.12.20 zum Abschluss seiner arbeits- und erfolgreichen politische Karriere eine Interpellation zum Gewässerschutz im Aargau eingereicht hatte, zeigte sich Thomas Baumann in der Sache unbefriedigt (z.B. wurden in der Antwort Nitrate und Phosphor abgehandelt, Pflanzenschutzmittel aber in der Antwort «vergessen», und geschlossene Schachtdeckel im Ackerland sind bestenfalls ein kitzkleiner Teil der Lösung), und kritisierte – wo überhaupt vorhanden – die aufgezeigten Lösungen als unbrauchbar (z.B. Ausbringen gewisser Pflanzenschutzmittel nur bei Windstille – im April 21 gar nicht möglich, weil der Wind einfach nicht abstellen wollte).
Eine weitere Interpellation der Fraktion Grüne zum Trinkwasser wurde durch Gertrud Häseli abgehandelt. Es ist gut, dass der Kanton die sichere Versorgung mit qualitativ einwandfreiem Trinkwasser planen und koordinieren will, es braucht aber mehr als Schachtdeckelaktionen – denn in grundwasserarmen Seitentälern wie Rueder-, Mettauer-, Surb- oder Wegenstettertal wird dieses gute Trinkwasser langsam knapp!
Zu den Regierungsantworten zu zwei Interpellationen (schulärztliche Untersuchungen und medizinische Versorgung von geflüchteten Menschen) zeigte sich Severin Lüscher nur teilweise befriedigt, zu viel liegt bei Eintritts- und vor allem den Austrittsuntersuchungen organisatorisch im Argen, und die Regierung interessiert sich zu wenig für unangenehme Themen und Vorkommnisse im Asylbereich, da müssen wir dranbleiben.
Votantinnenpremiere hatte Alice Sommer: Sie warf sich im Rat in die Debatte um die Liste säumiger Prämienzahler und fragte den Gesundheitsdirektor sehr unverblümt, bis wann die fälschlicherweise auf der Schwarzen Liste aufgeführten Menschen ihre benötigten Leistungen wieder beziehen können und von dieser Liste gestrichen werden – etwa in drei Jahren war die Antwort; bis dann hat hoffentlich das Parlament in Bern dieses Unding abgeschafft!
Für die Grüne Fraktion,