Eine unheilige Allianz, ein appetitliches Picknick – und zuletzt ein Abstimmungskrimi

Millione umschüüfele – zäme mit de SVP?
Ganze 60 Millionen Franken haben EVP, SP und GRÜNE im Grossrat am 21. Juni gegen den Willen der Regierung umverteilt. Und zwar in einer unheiligen Allianz mit der SVP… 🤯

Was war passiert? Die Regierung wollte mit den 60 Millionen die Bilanzausgleichsreserven aufstocken, welche heute schon bei grosszügigen 720 Millionen Franken rangieren. Man muss dabei sagen: Eigentlich schwimmt der Kanton Aargau in Geld. Eine gute halbe Milliarde Franken Überschuss waren 2021 zu verzeichnen. Dies vor allem wegen guter Budgetdisziplin, SNB-Ausschüttungen sowie Einnahmen aus der Vergabe von Kraftwerks-Konzessionen. Der grösste Teil des Geldes wurde ohne grossen Widerstand zur Schuldentilgung eingesetzt – doch mit den restlichen 60 Millionen wollte die Regierung wie gesagt die Bilanzausgleichsreserven äufnen. Doch was machen diese Reserven überhaupt?

Diese Reserven sind nützlich, und können angezapft werden, wenn der Kanton wegen wirtschaftlicher Schwankungen in Schwierigkeiten gerät. Bei der sich anbahnenden Ukraine-Krieg bedingten Wirtschaftskrise also ein wichtiges Tool. Zudem könnten aus dem Topf viele sinnvolle Investitionen getätigt werden, um z.B. gegen die Klimakrise oder die Biodiversitätskrise vorzugehen. Möglich ist auch eine Entlastung des unteren Mittelstandes via eine Erhöhung der Individuelle Prämienverbilligung wie bereits von uns an anderer Stelle gefordert. Warum paktieren wir denn da plötzlich mit der SVP?

Eigentlich ist es simpel: All die guten Ideen, was mit der Reserve angestellt werden können, scheiterten seit Jahren an den herrschenden Mehrheitsverhältnissen. Stattdessen weckte das viele Geld Begehrlichkeiten, wie zum Beispiel die letzten Steuersenkungen. Unsere Botschaft an Finanzdirektor Dieth war also klar: Dieses Kässeli kriegt unsere Unterstützung erst wieder, wenn sichergestellt wird, dass der Inhalt für Sinnvolleres verwendet wird – wie zum Beispiel in die Ausweitung und Erhöhung der individuellen Krankenkassenprämienverbilligung. Damit könnte sichergestellt werden, dass Einwohnerinnen und Einwohner unseres Kantons, welche beispielsweise von der Erhöhung der Mietnebenkosten und der Lebensmittel am stärksten betroffen sind, entlastet werden.

Ehrliches Fazit: Viel mehr als dem Herrn Finanzdirektor ans Bein pinkeln brachte die Aktion wohl leider nicht. Die nächsten Steuersenkungen kommen. Aber ein Zeichen war es alle Mal.

Ein appetitliches Picknick
Zum Zmittag zog es die Fraktion dann in den kühlen Schatten des Rathausgartens. Nicht nur der Schatten lockte, sondern auch ein liebevoll organisiertes Picknick von Gertrud Häseli. Mit Bio-Brot, Galeggenhof-Käse, leckeren Tomaten, Rüebli-Lachs u.v.m. konnte sich die Fraktion den Bauch vollschlagen.

Und zum Schluss ein Abstimmungskrimi: Heisst’s künftig «Gemeindepräsidium» – oder weiterhin «Gemeindeamman»?
«Eigentlich ist das gerade eher eine Emotion als eine Motion», bemerkte unser Grüne Grossrat Andreas Bargetzi treffend gegen Ende der Diskussion – und da wusste er noch nicht mal, wie knapp die Abstimmung werden würde!

Aber erstmal von Anfang: Während sich die eine Hälfte des Saales bereits ermattet die schweissnasse Stirn mit Zeitung, Aktenbogen und ähnlichen Kühlungsinstrumenten bewedelten, liess es sich die andere Hälfte nicht engehen, ummsverrecke auch noch ihren Senf zur Debatte zu geben: Gemeindepräsidium dränge sich auf, die Bezeichnung sei in den umliegenden Kantonen bekannt und man wähle eine Funktion, nicht ein Geschlecht, so die Motionär*innen. Historische Bedeutung, eine Gängelung der Gemeinden, so die anderen.

Unserer unvoreingenommenen Meinung nach brachte es dann aber gegen Ende Andreas Bargetzi am besten auf den Punkt: «Geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Ich bin Archäologe. Ich hänge sehr an altem Zeugs – aber irgendwann muss es einfach weg». Andere Kantone haben die Titel geändert, es sei an der Zeit, das auch hier zu tun: «Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit».

Nach einer halben Stunde (gefühlt zwei) dann endlich die Abstimmung. Langsam füllt sich der Resultate-Bildschirm. Es sieht knapp aus. Arschknapp. Denn gerade in den linken Rängen sind einige Sitze leer, Krankheits- und Arbeits-bedingt. Und tatsächlich: Nur durch den Stichentscheid von SP-Ratspräsidentin Elisabeth Burgener wird die Motion angenommen. Etwas Schadenfreude ob der leichten Ironie (beziehungsweise Freude über den merklichen, wenn auch kläglich langsamen, Fortschritt der Emanzipation) sei an dieser Stelle entschuldigt.

 

Für die GRÜNE Fraktion,